Durch den Paragrafendschungel gekämpft
Wenn die Mühlemanns mit den benachbarten Mühlemanns einen gemeinsamen Schweinestall bauen wollen – dann müssen sich die Mühlemanns erst einmal durch den Paragrafendschungel kämpfen. Denn was heute gang und gäbe ist, war Anfang der 90er-Jahre vom Gesetzgeber noch gar nicht vorgesehen.
«Wir schauen darauf, dass es unseren Tieren gut geht», sagt Rudolf Mühlemann, 60. «Das ist und war immer unser Motto.» Und sein Geschäftspartner Andreas Mühlemann, 50, ergänzt: «Wenn man die ganze Zeit nur auf die Preise achtet, die eigentlich fast nur die Abwärtsbewegung kennen, macht man sich nur wahnsinnig.» Die beiden Bauern aus dem oberaargauischen Grasswil BE sind zwar irgendwie miteinander verwandt, aber in erster Linie sind sie Nachbarn und Besitzer einer Stallgemeinschaft für Schweine. Ihre 240 Mastschweine leben in «Dreizimmerwohnungen», wie sie sagen: Ruheraum, Aufenthaltsraum und Versäuberungsbereich. Diese Haltung gilt als besonders tierfreundlich.
Dass benachbarte Landwirte einen Teil ihrer Betriebe zusammenlegen, ist heute eine ganz normale Sache. So können die Bauern Investitionen gemeinsam tätigen, sich die Arbeit teilen und dadurch Zeit und Geld sparen. Das war allerdings Anfang der 90er-Jahre, als die Mühlmanns mit der Planung ihrer Stallgemeinschaft anfingen, ein Novum.
«Für uns war das ein Hürdenlauf durch die Instanzen», erzählt Rudolf Mühlemann, der seinen Hof zusammen mit Bruder Hans bewirtschaftet. «Ein solcher Gemeinschaftsstall war in der Gesetzgebung schlicht und einfach nicht vorgesehen.»
Erster Schweizer Gemeinschaftsstall
Doch die Mühlemanns kämpften sich durch sämtliche Paragrafen. 1993 konnten sie ihren Stall bauen und einweihen. Es war der erste Gemeinschaftsstall in der Schweiz. Die Vorreiter erhielten 1995 den agroPreis. «Das war eine Genugtuung», sagt Rudolf Mühlemann. «Vor allem sind wir sehr stolz, dass wir den Preis mit einer klassischen Landwirtschaftsproduktion gewinnen konnten.» Und auch darauf, dass das Holz für den Stall aus dem eigenen Wald stammt!
Die beiden Bauernfamilien erzielen noch heute mit dem Schweinestall rund einen Drittel ihres Umsatzes. Ihr Vorteil ist, dass sie das Futter für die Schweine (Mais und Gerste) zum grössten Teil selbst anbauen und lagern. Dazukaufen müssen sie eigentlich nur das Eiweisskonzentrat in Form von Soja. «Das ist alles genau vorgeschrieben», erzählt Rudolf Mühlemann. «Und bei jeder Schlachtung wird das alles auch kontrolliert.»
Strenge Richtlinien
Abfälle aus Restaurants oder Läden – das ist alles passé! Schweine müssen das fressen, was der Gesetzgeber, der Verband, der Vermarkter, der Metzger, der Verkäufer und noch viele mehr vorschreiben. Spielraum für marktwirtschaftliche Ideen oder Weiterentwicklungen hat der Schweinebauer praktisch keine. Wehe, das Fleisch liefert nicht jene Messdaten, die vorgesehen sind! Das gibt gleich Abzüge.
Damit hier nichts schiefgehen kann, regelt ein Computer im Stall die Fütterung. Der Computer sieht natürlich so aus, wie solche Geräte vor fast zwanzig Jahren eben ausgesehen haben: klobig, eckig, unsexy. Aber das Teil funktioniert. Jede Schweinebucht bekommt genau das Futter, das die Tiere gemäss ihrem Alter und ihrem Gewicht brauchen. Mais, Gerste, Soja, frisch gemahlen und mit temperiertem Wasser vermengt, ab durch die Leitung – und dann beginnt das grosse Schmatzen.
Wenn nach rund hundert Tagen der Lastwagen mitten in der Nacht zum Schweinestall rollt, kommt für die Bauern jener Teil der Arbeit, den sie möglichst rasch und emotionslos verrichten: Einladen und Ende. Die Produktion von Fleisch hat eine Seite, die der Konsument nicht gerne sieht und hört. In der Regel sieht er lieber die Qualität und den Preis: «Den Einkaufstourismus nach Deutschland spüren wir deutlich. Da müssen wir uns gar nichts vormachen», sagt Rudolf Mühlemann.
Ihren Schweinestall gemeinsam zu betreiben, haben die Mühlemanns nie bereut. Dass sie die ersten waren und dafür sogar einen Preis gewonnen haben, hat sie gefreut, obwohl es ihr Leben nicht grundsätzlich verändert hat. «Doch», sagt Andreas Mühlemann, «wir hatten sehr viele Medienvertreter und andere Besucher auf unseren Höfen. Das war für uns auch eine ganz neue Erfahrung.»