Ihre Linsen sind Gold wert
Auf dem Hof in Sauverny oberhalb von Versoix hat das Telefon noch nie so oft geklingelt, wie seit der Verleihung des agroPreises an die Genfer Linsenproduzenten. Erhalten hat Familie Courtois die Auszeichnung für den Anbau und die Vermarktung dieser gesunden Hülsenfrüchte.
Im Hofladen geben sich Stammkundinnen und -kunden an diesem Morgen die Klinke in die Hand, um dem Betriebsinhaber zu gratulieren. Dies hindert die verschiedenen Familienmitglieder jedoch nicht daran, ihren alltäglichen Arbeiten nachzugehen. Auf dem Betrieb geht das Leben weiter, obwohl alle noch von ihren Gefühlen überwältigt sind. Am Vortag fand im riesigen Kursaal in Bern die Preisverleihung statt. Als klar war, dass Christophe Courtois für seine Pionierarbeit im Linsenanbau in der Schweiz den agroPreis erhält, brach unter der Familie, den Angestellten und den Freunden, die ihn begleiteten, grosser Jubel aus. Die Müdigkeit und Aufregung sind auf seinem Gesicht noch erkennbar, als sich der Genfer Landwirt am Tag nach der Feier an die Anfänge erinnert: «Ich sehe noch meinen Grossvater und meinen Vater an diesem Tisch vor dem Haus sitzen: Während der eine Steinchen aus den Linsen las, füllte der andere mit einer Kelle die Beutel für den Verkauf.» Das ist 20 Jahre her. Christophe war damals 14 Jahre alt. Sein Vater war auf der Suche nach einem Aushängeprodukt, um den Hofladen weiterzuentwickeln, in dem bereits Früchte und Gemüse aus dem Betrieb verkauft wurden. Berater François Érard von der Genfer Landwirtschaftskammer schlug ihm einen Versuch mit Linsen vor. Dazu wurde spezielles französisches Saatgut aus Le Puy-en-Velay importiert. Bei den Konsumenten stiess das Produkt von Anfang an auf Anklang. Doch der heikle und anspruchsvolle Anbau verlangte von den Genfer Produzenten auch einiges Durchhaltevermögen.
Die kleinen runden Hülsenfrüchte setzen sich durch
2002 begann sich die Manor-Gruppe für die Linsen aus Sauverny zu interessieren. Heute ist der Grossverteiler der grösste Kunde von Familie Courtois. Er bringt zwei Drittel der Linsen, die auf dem Genfer Hof produziert werden, in der ganzen Schweiz in Umlauf. Der Rest wird über verschiedene Läden mit regionalen Produkten im ganzen Land vertrieben. «Unsere Linsen sind in Lugano, in Zürich und sogar auf der Rigi erhältlich», erzählt Christophes Mutter Rosette Courtois voller Stolz. Nachdem Christophe im Versicherungssektor und im Verkauf Erfahrungen erworben hatte, kehrte er 2008 als Angestellter auf den elterlichen Betrieb zurück. Neben den Grosskulturen, den Obstplantagen und den Beeren zum Selbstpflücken baute er die Linsen zu einem weiteren Standbein des Hofs aus. Er entwickelte diesen Betriebszweig als echter Unternehmer: Übersetzung der Etiketten auf Deutsch und Italienisch, Suche nach Wiederverkäufern, Organisation von Degustationen auf Messen und Märkten. Von 5000 m2 im Jahr 1995 erhöhte sich die Anbaufläche für die Linsen bis heute auf etwa 15 Hektaren. «Jahr für Jahr konnte die Produktion ausgebaut werden», freut sich Christophe Courtois. «Doch man darf sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen.» In den letzten Jahren hat Familie Courtois deshalb weitere Kleinsaaten wie Kichererbsen, Leinsamen und Buchweizen lanciert. Diese Produkte haben zunehmenden Erfolg.
Ein echter Familienbetrieb
Eines steht fest: Hinter den Linsen aus Sauverny steht die ganze Familie. Als Christophe im vergangenen Frühjahr sein Dossier für den agroPreis einreichte, der von der emmental versicherung organisiert wird, wollte er damit die Arbeit seines Vaters würdigen. Unter den rund 50 Projekten, die von Bäuerinnen und Bauern aus allen vier Landesteilen eingereicht wurden, stachen die Linsen aus Sauverny hervor. Die Originalität, die Nachhaltigkeit, das agronomische Interesse sowie die Möglichkeit, den Anbau auf andere Landwirtschaftsbetriebe zu übertragen, sind die Hauptargumente, welche die sieben Jurymitglieder bewogen, Familie Courtois zusammen mit drei weiteren Projekten für das Finale des Preises zu nominieren. «Rund 50 Familienmitglieder und Freunde haben uns im Bus begleitet, um uns zu unterstützen», erzählt Christophe. Und als ihm schliesslich Johann Schneider-Ammann einen Check im Betrag von 20 000 Franken überreichte, nutzte der Bauer aus Sauverny diesen ganz besonderen Moment, um einige Worte mit dem Bundesrat zu wechseln. «Zunächst gratulierte er mir zu unserem Unternehmergeist. Dann habe ich ihm lange die Hand geschüttelt», erzählt Christophe Courtois. «Ich schaute ihm direkt in die Augen und sagte ihm, dass es nicht gut um die Schweizer Landwirtschaft stehe. Die Randenproduzenten seien verunsichert und den Milchproduzenten stehe das Wasser bis zum Hals. Kurz gesagt seien wir auf seine Unterstützung angewiesen.» Doch Christophe Courtois ist nicht nur eine Kämpfernatur und scheut sich nicht, die Dinge beim Namen zu nennen. Er ist auch ein überlegter Landwirt, ein genau arbeitender Fachmann und ein Unternehmer, der beharrlich seinen Weg geht. «Der nächste Schritt ist die Modernisierung unserer Infrastruktur und die Vergrösserung des Hofladens. Und dann müssen wir die Produkte aus Sauverny noch bekannter machen!» Zweifellos steht den Linsen und auch der Familie Courtois eine grosse Zukunft bevor. Und mit dem fünfjährigen Arnaud und der siebenjährigen Manon wächst auf dem Hof schon die nächste Generation heran.