Eine Innovation wider die Natur – und sehr erfolgreich
Otmar Odermatt gehörte zu den Pionieren. aber er betont immer wieder, dass er nur Teil eines Ganzen sei. Das Ganze, das ist die «Vereinigung zur Förderung der Dallenwiler Ziegenmilch». Auch knapp zwanzig Jahre nach dem Preisgewinn läuft in und um Wolfenschiessen und Dallenwil alles in geordneten Bahnen. Oder zumindest fast alles.
Irgendwann hat man das Gefühl, sich verfahren zu haben. Die Abzweigung zwischen Dallenwil und Wolfenschiessen wurde zwar richtig gewählt, aber die schmale, teilweise etwas steile Bergstrasse will gar nicht mehr enden. Aber dann ist man da, im «Grunggis», dem Hof von Familie Odermatt, gut 1000 Meter über Meer. Schön ist es hier oben. Und das Gebimmel der Glocken, welche den gut 55 braunen Ziegen um den Hals hängen, ist beruhigend. Otmar Odermatt und seine Frau Esther sind Biobauern und gehen mit offenen Augen durchs Leben. «Ja, wir beobachten immer, was sich tut auf der Welt – und insbesondere im Landwirtschaftssektor», sagt Otmar Odermatt, der hier oben geboren und aufgewachsen ist.
Nachwuchs im Herbst
Als die Käsersfamilie Odermatt aus Dallenwil Anfang der Neunzigerjahre zusätzliche Bauern suchte, die Ziegenmilch produzieren, war für Odermatts vom Hof Grunggis bald klar, dass sie mitziehen würden. Obwohl man als Ziegenbauer erst belächelt worden sei. «Ein Bauer, der nicht Kühe melkt, galt lange Zeit nicht viel», sagt Otmar Odermatt. Doch das gab es schon damals Ziegenmilchproduzenten, die ihre Milch an die Spezialitätenkäserei Odermatt in Dallenwil lieferten. Und weitere folgten nach dem Aufruf. Mit dreissig Bauern konnte die Vereinigung schliesslich gegründet werden. Die Nachfrage nach Ziegenkäse war enorm. Aber die 200 000 Liter Milch, die vor allem im Frühling und Sommer produziert werden konnten, reichten hinten und vorne nicht aus. So entschieden sich die Bauern für einen unkonventionellen Weg: Sie versuchten immer wieder, ihre Ziegen im Herbst zum Gitzeln zu bringen. «Das ist zwar wider die Natur, aber genau mit dieser Innovation holten wir den Preis», erzählt Otmar Odermatt. Es sei aber immer wieder schwierig, dass diese Naturwidrigkeit auch klappe. Und ja, manchmal empfinde er den Eingriff gegen die Natur auch als störend.
Guter Werbeeffekt
Trotzdem meldete der Vorstand, dem Otmar Odermatt lange Jahre als Präsident angehörte, die Innovation für den agroPreis an. «Dä Chaib hole mer», hätten sie damals gesagt – und nicht wirklich daran geglaubt. Doch es hat geklappt und die Freude, der Werbeeffekt und das Wachstum seien gross gewesen. Mittlerweile verkäsen die auf 36 Bauern angewachsene Vereinigung und ihre Käserfamilie in Dallenwil 780 000 Liter Ziegenmilch, welche das ganze Jahr über in mehr oder weniger konstanter Menge geliefert wird. Nicht alle Lieferanten sind Biobauern. «Ziegenkäse wird ohnehin als Naturprodukt wahrgenommen», sagt Odermatt, der selber aber aus Überzeugung Biobauer ist. Schwieriger sei die Vermarktung der Nebenprodukte. Die jungen Böcklein etwa, die für die Milchproduktion ja nicht gebraucht würden, seien wenig gefragt. Mal habe man versucht, Würste herzustellen, da hätten Aufwand und Ertrag aber nicht gestimmt. Und etwas anderes macht Otmar Odermatt manchmal Sorgen: «Erst wurden wir Ziegenbauern belächelt, jetzt gibt es viele Nachahmer.» Und er macht keinen Hehl daraus, dass zu viele Nachahmer oftmals die beste Pionierarbeit zerstören können. Aber pessimistisch sind Odermatts nicht, dazu sind sie zu geerdet. «Wir haben das Auskommen», sagt er und hebt eine Milchkanne von der Seilbahn, mit welcher die Milch ins Tal gelangt. «Es ist schon lange her, dass wir diesen Innovationspreis gewonnen haben, aber er war und ist eine Motivation.»